Ostschweizer Winzer |
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Baumann Ruedi, Oberhallau SH | |
Broger Michael, Ottoberg TG | |
Pelizzatti Annatina, Jenins GR | |
Pircher Urs, Eglisau ZH | |
Ruch Markus, Hallau SH | |
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Baumann Ruedi, Oberhallau Schaffhausen |
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Der Weg nach Oberhallau lohnt sich immer, und das nicht nur wegen den fröhlichen und gesunden Schweinen, die mit wehenden Ohren uns jedes Mal auf einer Wiese kurz vor Oberhallau entgegenspringen und uns begrüssen, sondern vor allem wegen der Landschaft und dem Wein. In der sanften und abgeschiedenen Talschaft des schaffhausischen Klettgaus liegt auch das Weingut Baumann. 1978 wagten Max und Susi Baumann den Sprung vom Traubenkäufer zum Einkellerer und Selbstvermarkter. Für die damalige Zeit eine Pionierleistung. 3.5 Hektar betrug die Anbaufläche damals, mittlerweile ist sie kontinuierlich auf stattliche 7.8 Hektar gewachsen. Von Beginn weg tatkräftig dabei war Sohn Ruedi, gelernter Winzer und Weinküfer mit Jahrgang 1959. Im Jahre 1995 übernahmen schliesslich Ruedi und Beatrice Baumann das elterliche Weingut. Ihre Reben wurzeln rund um Oberhallau, verteilt auf 16 Parzellen, auf tiefgründigen und schweren Böden aus Jurakalk. Baumanns Passion gilt dem Pinot Noir. Rund 73% der gesamten Anbaufläche sind mit der „Königin der Rebsorten“, dem Pinot Noir, bestockt. Den Rest teilen sich Chardonnay (0.8 ha), Müller-Thurgau (0.7ha), Pinot Gris (0.3 ha) und Dornfelder (0.3 ha). Beim Holz-Ausbau verwendet er ausschliesslich französische Barriques oder Pièces. Die Jahresproduktion seines Betriebs beträgt zwischen 40'000 – 45'000 Flaschen. Mit strikter Ertragsbeschränkung (beim Pinot Noir rund 550-650 g/m2), mit ehrlicher Arbeit, mit grosser Leidenschaft und dem Antrieb stets das Beste zu suchen, gelingt es Ruedi Baumann, Weine zu keltern, die durch ihre Sortentypizität, ihre Klarheit und ihre hervorragende Balance zwischen Gerbstoff, Säure und Extrakt bestechen. Baumanns Kreszenzen sind von internationalem Format, die man so im nördlichsten Zipfel der Schweiz nicht erwarten würde. Er setzt für den Weinkanton Schaffhausen Qualitätsmassstäbe und ist bester Repräsentant für das im Herbst 2002 proklamierte Blauburgunderland. Für uns reflektieren Ruedi Baumanns Weine auch sein Wesen: geradlinig, ehrlich, schnörkellos und sympathisch!
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Broger Michael, Ottoberg Thurgau |
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Schon lange hegten wir den Gedanken einen Winzer oder eine Winzerin aus unserem ehemaligen Wohnkanton Thurgau in unser Angebot aufzunehmen. Wir suchten einen jungen, dynamischen und ambitionierten Winzer, der auf höchstem Niveau vinifiziert und heute noch eher unbekannt ist. Mit Michael Broger, geboren 1970, haben wir ihn gefunden und nach den ersten Degustationen und Diskussionen können wir mit Freude verkünden, dass unsere Erwartungen sogar übertroffen wurden. Michael Broger arbeitete nach seiner Lehre als Weintechnologe und nach der Absolvierung der Rebbaukurse in Wädenswil während 8 Jahren auf dem Schlossgut Bachtobel bei H.U. Kesselring und während einer Saison auch bei Hätsch Kalberer in der Fromm Winery in Blenheim, Neuseeland. Im Herbst 2002 konnte er dank der Grosszügigkeit seines langjährigen Nachbarn dessen Rebbaubetrieb mit der finanziellen Unterstützung seiner Familie käuflich erwerben. Nach dem Umbau des aus dem beginnenden 19. Jahrhunderts stammenden Wohnhauses, einigen Investitionen und der Erweiterung des bestehenden Hauskellers, war Michael Broger im Herbst 2003 erstmals in der Lage, seinen eigenen Wein zu keltern. Insgesamt bewirtschaftet er heute am Ottoberg 3.5 Hektar und keltert den Wein aus 2.5 Hektar Rebland. Seit Jahren wird im Rebberg auf Herbizide verzichtet. Auch tüftelt er mit den biodynamischen Anbaumethoden. Erste Versuche, beinahe ohne Schwefel (!!), sind absolut vielversprechend. In absehbarer Zeit hofft er, nur noch organische Mittel einsetzen zu können. Die Kelterung der Trauben erfolgt direkt auf dem Hof und beim Rotwein nach Möglichkeit mit der safteigenen Hefe. Nach der Gärung fliesst der Jungwein ohne Einsatz von Pumpen in den hauseigenen Naturkeller. Dort lagert er in Holzfässern und durchläuft im Rhythmus der Jahreszeiten den biologischen Säureabbau und die Ruhephase bis zur Flaschenreife. Michael Broger füllt die Weine unfiltriert so naturbelassen wie möglich ab und lässt somit die Kundschaft bewusst die Jahrgangsschwankungen miterleben. Mit seinem Paradewein "Alte Rebe" hat uns Michael Broger verzückt. Vom sympathischen, naturnahen und ambitionierten Tüftler und Selfman wird man in Zukunft mit Sicherheit noch viel Positives hören. Unsere Entdeckung des Jahres 2007! |
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Pelizzatti Annatina, Jenins Graubünden |
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In den verwinkelten, pittoresk schönen Gassen von Jenins, der kleinsten und höchstgelegenen Gemeinde der Bündner Herrschaft, finden wir einen Shootingstar dieser Weinregion. Wobei der englische Ausdruck so irgendwie nicht passt. Denn Annatina Pelizzatti ist eine überaus charmante und bodenständige Person. „Teilen Sie mit mir die Freude am Wein“ steht dann auch auf ihrer Homepage. Und bereits nach wenigen Minuten hat uns diese Freude aufgesogen. Annatina Pelizzatti übernahm 1997 nach einem tragischen Autounfall ihres Ehemanns Domenico das elterliche Weingut. Unterstützung bekam die gelernte Postfachangestellte von den Eltern, von der Grande Dame du Vin Suisse, Marie-Thérèse Chappaz aus Fully, sowie von Irene Grünenfelder aus Jenins. Zugleich besuchte die junge Winzerin Kurse an der Weinfachschule in Wädenswil. Pelizzatti bewirtschaftet heute 3 Hektar, welche auf 17 Parzellen in Jenins (2 ha) und Malans (1 ha) verteilt sind. Zugleich kauft sie selektioniertes Traubengut dazu und produziert so pro Jahr ca. 20'000 Flaschen. Dabei gelingt es ihr Tradition und Moderne beinahe fliessend zu verbinden. Ihre Weine sind kernige Gewächse mit präsenter Säure und schöner Frucht. Ganz anders als klebrig-süsse Holzklumpen. Doch was uns am meisten beeindruckte, Pelizzatti schafft es mit ihrer weiblichen Intuition, mit der Gelassenheit einer zweifachen Mutter die weiss, dass Wein nicht das einzig Wichtige auf dieser Welt ist, ihren Weinen eine Authentizität zu geben. Jeder Wein wird zum unverwechselbaren, sympathischen und charmanten Pelizzatti-Wein. Viva!
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Pircher Urs, Eglisau Zürich |
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Keine 20 Fahrminuten vom Flughafen Zürich entfernt, windet sich der Rhein so träge und breit am alten Landvogt-Städtchen Eglisau vorbei, als wolle er den Amazonas imitieren. Dabei blickt der Rhein auf den Stadtberg, einen imposanten Südhang mit 80 Prozent Gefälle und Reben auf winzigen Terrassen. Hier, am hinteren Stadtberg, finden wir das Aushängeschild des Zürcher Weinbaus. Urs Pirchers 6 Hektaren grosser Rebberg beginnt praktisch auf Rheinhöhe, auf 340 Meter über Meer, und ist damit eine der tiefsten Lagen der Ostschweiz überhaupt. Das Gelände steigt vom Fluss steil an und endet schliesslich auf 420 Meter über Meer – eine geradezu traumhafte Topografie. Wer die ganze Szenerie zum ersten Mal sieht, weiss intuitiv um das Potential dieser Lage. Pircher wendet die naturnahe Produktion an und so bestimmen regelmässige Bodenproben die erforderliche Zugabe von Düngestoffen. Dann werden nur selektiv gut abbaubare Spritzmittel eingesetzt. Mitte August wird jeweils das Spritzen gänzlich eingestellt. Um Aromenvielfalt und eine perfekte Struktur zu erreichen, hält Urs Pircher die Erträge rigoros tief (im Schnitt 500 g/m2). Beim Pinot setzt er ganz auf die klassische Gärung mit langen Standzeiten an der Maische sowie auf tiefe Temperaturen. Den Tresterhut drückt er dabei mehrmals täglich von Hand nach unten, und zwar auch nachts. Urs Pircher, der das Mustergut 1979 von seinem früh verstorbenen Vater übernommen hatte, gehört heute zweifellos zu den besten Winzern der Schweiz. Sympathisch macht ihn, dass er keine grossen Töne mag. Das heisst: im Wein schon, aber nicht um den Wein herum.
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Ruch Markus, Hallau Schaffhausen |
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Es gibt sie noch! Ehrliche Weine von ehrlichen Winzern. In einer Weinwelt voll mit grotesk önologischen Machwerken und den unzähligen vordergründig-lauten Bodybuilder-Weinen ist dies alleweil eine Schlagzeile wert. Nach dem wir die Weine des jungen 34-jährigen Winzer Markus Ruch degustierten und am Dreikönigstag 2010 ausführlich mit ihm über seine Weinwelt sprachen, war diese Schlagzeile schnell geschrieben. Markus Ruch war ein Quereinsteiger, ursprünglich Kundenberater in einer Bank, absolvierte er später die Winzerausbildung in Wädenswil. Die Stationen auf seinen Lehr- und Wanderjahren imponieren jeden Weinkenner: Robert Kengelbacher und Verena Rothlin in der Toskana, Roland Lenz in Chile, Werner Stucky und Christian Zündel im Tessin, Hans-Ulrich Kesselring im Thurgau, Marie-Thérèse Chappaz im Wallis und Dominique Derain im Burgund waren seine Lehrmeister. Bei Dominique Derain, einem der Pioniere des "vin naturels", verfiel Markus Ruch endgültig dem konsequenten Terroir-Denken, dem organischen bzw. biologisch-dynamischen Weinbau und natürlich dem Pinot Noir. Seine wachsamen Augen funkeln, wenn er von der dünnhäutigen, für Fäulnis und Viren anfälligen Diva Pinot Noir spricht. Diese Faszination führte Markus Ruch ins schaffhausische Klettgau, wo in der Schweiz Böden und Klima am ähnlichsten mit dem Burgund sind. Seit 2007 bewirtschaftet er, wenn immer möglich nach biodynamischen Prinzipien, rund 3 ha Reben auf kalkhaltigen Lehm- und Kiesböden in den Gemeinden Hallau und Gächlingen. Die von Hand gelesenen Trauben werden später in seiner neuen Bleibe, der Zehntenscheune in Neunkirch, traditionell gekeltert und ausgebaut. Wobei er bewusst auf Reinzuchthefen, Enzyme, Aufzuckerung, Aufsäurung, Filtration und Co. verzichtet. Schliesslich sollen seine Weine nicht imponieren mit Farbe, mit Alkohol oder Extrakt, sondern sinnlich an den besonderen Geschmack seines Ursprungs erinnern. Um diesem Ursprung, diesem Terroir, Geltung zu verschaffen, ordnet sich Markus Ruch ihm unter und drückt seinen Stempel behutsam in eine Ecke und ganz sicher nicht in die Mitte, was nebenbei bemerkt, für Winzer aus der neuen Welt ungemein schwer scheint. Wir sind uns schon heute sicher, dass der von grosser Leidenschaft angetriebene Winzer dem Geheimnis des authentischen Klettgauer Pinot Noir weit näher kommt als viele vor ihm. | |